Wir stehen heute zeitig auf! 5:30Uhr klingelt unser Wecker und nach dem Frühstück stehen wir sofort wieder auf dem oberen Deck – wir sehen gegen 7 Uhr die Lichter von Torshavn. Noch ist es dunkel, aber tausend Lichter der Stadt funkeln. Was für ein schöner Anblick.
Spektakulär rangiert der Kapitän die Norröna in die Anlegebucht.
Es regnet in dicken Bindfäden und es ist kalt – alles egal – wir sind auf den Färöern.
Die Färöer
Die Färöer-Inseln im Nordatlantik, auf halbem Weg zwischen Shetland und Island. Wilde Inseln, auf denen der Sturm hart bläst. Der 62. Breitengrad kreuzt das Archipel, das lange unter der Herrschaft der Wikinger stand. Nirgendwo sonst in Europa ist es so windig wie hier. Steile Klippen, von denen Wasserfälle in den wilden Ozean fließen. Felswände, bleigrau und mächtig. Die kleinste Hauptstadt der Welt, in der es so viel Kultur und gemütliche Cafés und Bars gibt. Und vor allem eine wilde, unzähmbare Natur, die allen, die den Norden lieben, den Atem nimmt.
Das Wörtchen “kanka”, es meint “vielleicht” oder “maybe”, ist eines der meistgebrauchten in der Sprache der Färinger. Wo es fünfmal so viel regnet wie in der nassesten Ecke Großbritanniens und fünfhundert Mal so viel Wind gibt, regiert das Wetter. Vielleicht gehen wir morgen fischen. Vielleicht heiraten wir morgen. Alle steht immer unter diesem Vorbehalt, und ein britischer Soldat, der hier im 2. Weltkrieg stationiert war, gab den Inseln den Beinamen: Land of Maybe.
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Kein Ort auf den Inseln ist weiter als fünf Kilometer vom Meer entfernt. Die knapp 50.000 Menschen, die in den Dörfern an den Küsten leben, sind nicht allein – der Name Färöer kommt nicht von ungefähr. Etwa 70.000 Schafe weiden hier. Doch ihr Geld verdienen die meisten Färinger mit dem Fischfang. Einnahmen aus dem Tourismus spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die Färöer gehören zwar zu Dänemark, sind aber seit 1948 mit eigener Regierung und Verwaltung ein selbständiges Mitglied des dänischen Reichsverbandes – ähnlich wie Grönland. Die Färinger haben nicht nur eine eigene Flagge, sondern auch eine eigene Sprache.
Ganz pünktlich um 07:45 Uhr verlassen wir das Schiff über die große Gangway und sammeln uns alle vor dem Terminal.
Da taucht unser Bus auf – 007 – No Time to Die – unsere Reiseführer Ann und Jógvan holen uns ab. Wir klettern in den Bus und haben WLAN … Internetzugang gibt es fast überall. In Touristeninformationen, öffentlichen Bibliotheken, Hotellobbys und Cafés – eines der best versorgten Länder Europas. Ja, aber Achtung! Die Färöer-Inseln gehören zu Dänemark, aber dadurch gehören sie nicht automatisch zur EU – also kein EU-Roaming.
Wir fahren nach Kirkjubøur
Ann spricht ausgezeichnet Deutsch und erzählt von ihrem kleinen Land, von Torshaven – der kleinsten Hauptstadt der Welt [was aber nicht ganz wahr ist, denn Ngerulmud, die Hauptstadt des pazifischen Inselstaates Palau ist noch kleiner ;-)] Nach etwa 20 Minuten kommen wir in Kirkjubøur an. Der Bus parkt vor der der Saint Olav’s Kirche, noch regnet es und wir beeilen uns in das Innere der kleinen Kirche zu kommen.
Die Kirche St. Olav ist eine mittelalterliche Kirche im Dorf Kirkjubøur auf Streymoy, den Färöer-Inseln. Sie wurde vor 1200 erbaut und ist damit die älteste Kirche der Färöer-Inseln. Bis zur Reformation diente sie als Sitz des katholischen Bischofs.
Ein Runenstein, der Kirkjubøur-Stein, wurde 1832 in der Kirche gefunden. Die Kirchenbänke wurden 1875 nach der Restaurierung der Kirche in das Nationalmuseum von Dänemark in Kopenhagen überführt und im Jahr 2002 an die Färöer-Inseln zurückgegeben. Heute wird der Stein und das Gestühl im Nationalmuseum der Färöer-Inseln ausgestellt.
Heute ist sie schlicht eingerichtet, moderne Holzbänke, es gibt keinen Altar, so wie wir es kennen – und es gibt auch kein Kreuz. Im vorderen Bereich hängt ein großes, modernes Altargemälde von Sámal Mikines. Er war der erste professionelle Künstler auf den Färöern und wird als der „Vater der färöischen Malerei“ bezeichnet. Ein ausgeprägter, nordisch-expressionistischer Stil ist charakteristisch für Mikines’ Kunst.
Ann erzählt uns ganz viel über die Geschichte der Kirche, des Friedhofes und der angrenzenden Magnus-Kathedrale. Sie erzählt von der Hymne der Färöer – Tú Alfagra Land Mítt – Oh Du Mein Schönes Land – und sie fängt an zu singen. Es ist mucksmäuschenstill und sehr ergreifend.
Und während sie singt, fallen die ersten Lichtstrahlen durch die Fenster, die Sonne geht auf. Jetzt wird es magisch …
Jógvan erzählt uns von FarGen – einer öffentlichen Genbank, die möglichst alle 50.000 Einwohner der Färöer umfassen soll. FarGen ist ein Projekt, mit dem man hofft, nicht nur den genetischen Besonderheiten der eigenen Bevölkerung auf die Spur zu kommen. Die homogene Struktur der Bevölkerung, die größtenteils von den Wikingern abstammt, die vor 1.000 Jahren die Inseln besiedelten, und mit Einwohnern, von denen die meisten ihren Stammbaum bis ins 17. Jahrndert zurückverfolgen können, ist nicht nur für die Wissenschaft von Interesse. Sie könnte auch die öffentliche Akzeptanz für das Datenbankprojekt steigern, weil deren Befürworter mit einem direkten Nutzen argumentieren können. Die Isolation der Inseln hat zu auffälligen Häufungen bestimmter Krankheiten geführt. So etwa die Carnitine Transporter Deficiency, eine erblich bedingte Fettverwertungsstörung, an der vor allem viele junge Menschen sterben.
Kirkjubømúrurin (färöisch für „die Mauer“) ist die Ruine des Magnusdoms. Er steht auf der Warteliste zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist das bedeutendste mittelalterliche Bauwerk der Färöer. Mit dem Bau wurde etwa 1300 unter dem hier residierenden Bischof Erlendur begonnen, dem auch der Schafsbrief zugeschrieben wird. Erlendur war nicht zuletzt deswegen der bedeutendste färöische Bischof im Mittelalter.
Allerdings musste er bald darauf von den Färöern fliehen, weil er der Bevölkerung zu hohe Abgaben abverlangte und es deswegen wahrscheinlich zu einem Aufstand kam. Möglicherweise ist das der Grund für den unvollendeten Zustand. Eine andere Theorie besagt, dass der Schwarze Tod schuld sei, der die Färöer 1349/1350 heimsuchte und die Bevölkerung um ein Drittel reduzierte.
Kirkjubøargarður (Färöisch für Hof von Kirkjubøur, auch bekannt als Königsbauernhof) ist eines der ältesten noch bewohnten Holzhäuser der Welt, wenn nicht das älteste. Der Bauernhof selbst war schon immer der größte auf den Färöer-Inseln.
Das alte Bauernhaus von Kirkjubøur stammt aus dem 11. Jahrhundert. Es war der Bischofssitz und das Seminar der Diözese der Färöer, seit etwa 1100. Der Legende nach stammte das Holz für die Blockhäuser als Treibholz aus Norwegen und wurde genau gebündelt und nummeriert, um genau aufgebaut zu werden. Beachten Sie, dass es auf den Färöern keinen Wald gibt, mit Ausnahme eines Waldes im Norden von Tórshavn, und Holz ein sehr wertvolles Material ist. Viele solcher Holzlegenden finden sich daher in der färöischen Geschichte.
Der älteste Teil ist eine sogenannte roykstova (Rauchstube oder Rauchraum). Möglicherweise wurde sie einmal verschoben, weil sie nicht zu ihrer Grundlage passt. Ein weiterer alter Raum ist die loftstovan (Dachbodenstube). Es wird vermutet, dass Bischof Erlendur hier 1298 den ‘Schafbrief’ verfasst hat. Dies ist das früheste uns bekannte Dokument der Färöer. Es handelt sich um die Verordnung zur Schafzucht auf den Färöern. Heute ist der Raum die Bibliothek des Bauernhofs. Die stórastovan (großer Raum) stammt aus einer viel späteren Zeit, wurde aber 1772 gebaut.
Obwohl der Bauernhof ein Museum ist, lebt die 17. Generation der Familie Patursson, die ihn seit 1550 bewohnt, immer noch dort. Kurz nach der Reformation auf den Färöern im Jahr 1538 wurden alle Immobilien der katholischen Kirche vom König von Dänemark beschlagnahmt. Dies betraf etwa die Hälfte des Landes auf den Färöern und wurde seitdem als “Königsland” (kongsjørð) bezeichnet.
Das größte Stück Königsland war der Bauernhof in Kirkjubøur aufgrund des oben genannten Bischofssitzes. Dieses Land gehört heute der färöischen Regierung, und die Paturssons sind Pächter von Generation zu Generation. Es ist immer der älteste Sohn, der Königsbauer wird, und im Gegensatz zu privat besessenem Land wird das Königsland nie unter den Söhnen aufgeteilt.
Mit dem Bus geht es dann zurück nach Torshavn. Da wir noch etwas Zeit haben, fährt Jógvan zu einem Aussichtspunkt, von dem aus wir einen wunderschönen Blick auf die Stadt habe, auf den Hafen und auf die Nörrona.
“Tórshavn („Thors Hafen“), die Einheimischen sagen einfach nur “Havn”, ist die Hauptstadt und größte Stadt der Färöer-Inseln. Sie befindet sich im südlichen Teil an der Ostküste von Streymoy. Nordwestlich der Stadt liegt der 347 Meter hohe Berg Húsareyn, und südwestlich der 350 Meter hohe Kirkjubøreyn. Sie werden durch den Sandá-Fluss getrennt. Die Stadt selbst hat eine Bevölkerung von 14.065 (2023), und das erweiterte Stadtgebiet hat eine Bevölkerung von 23.194, einschließlich der Vororte Hoyvík und Argir.
Zurück am Schiff teilen wir uns für eine kleine Stadtführung in zwei Gruppen auf – ein Teil läuft mit Ann (auf Deutsch), die anderen mit Jógvan (auf Englisch).
Gemeinsam mit Ann wandeln wir auf den Spuren der Geschichte und erkunden zunächst die Altstadt von Tinganes (Thing-Landzunge ist eine Halbinsel im Hafen von Tórshavn). Hier trafen sich einst Sommer für Sommer die Wikinger, die die Färöer im neunten Jahrhundert besiedelten. Bei diesem Thing schlichteten sie Streitigkeiten, erließen Gesetze und verkauften natürlich Waren. Im Jahr 999 wurde hier der Wikingerhäuptling Tróndur í Gøtu getauft und die Christianisierung der Färöer beschlossen.
Aus den sommerlichen Treffen wurde ein ganzjähriges Handelszentrum, heute die Hauptstadt der Färöer. Das ist hier der älteste Teil der Stadt und geprägt durch seine engen Gassen.
Wir sehen farbenfrohe alte Lagerhäuser, die heutzutage als moderne Büros genutzt werden, die lutherische Kathedrale aus dem 18. Jahrhundert und kleine Häuser mit Torfdächern, die an längst vergangene Zeiten erinnern. Wenn man die Altstadt betritt, taucht man in ein Gewirr von Gassen und engen Gängen, Treppen, Felsen und winzigen, schwarz geteerten Holzhäusern – eine echte und einzigartige Stadt aus dem Mittelalter.
Kurz vor 12 Uhr sind wir zurück an Bord der Nörrona und eine Stunde später laufen wir aus Torshavn aus. Der Wind hat kräftig zugelegt und auch das Meer wird unruhiger.
Die Sonne reißt immer wieder Löcher in die Wolken – mystisch…
Langsam fahren wir zwischen den Inseln hindurch – wohl eine der schönsten Schiffspassagen der Welt.
Eine idyllische Zuflucht, friedlich gelegen zwischen üppig grünen Tälern, mächtigen Basaltklippen, großen baumlosen Mooren und Wasserfällen, die direkt in den vom Wind gepeitschten Ozean stürzen. Eine unvorstellbare Schönheit, auf mysteriöse Weise verborgen wie die Fantasiewelt eines Kindes.
Die 18 zerklüfteten vulkanischen Inseln, aus denen die Färöer-Inseln bestehen, ähneln einer Handvoll Felsen, die willkürlich in der Tiefsee verstreut wurden. Die Inseln sind Heimat von mythischen Bergen, hobbitartigen, mit Rasen bedeckten Häusern und grasenden, zottigen Schafen.
Unbeständiges und sehr wechselhaftes Wetter trägt zum Charme der Färöer bei (oder stellt eine Herausforderung dar, je nachdem, wie man es betrachtet). Wenn Sie Ihre Handflächen weit ausstrecken, können Sie spüren, wie Schnee auf die eine Handfläche fällt und Sonne auf die andere scheint.
https://visitfaroeislands.com/de/das-bestgehutete-geheimnis-europas
Etwa anderthalb Stunden, nachdem die Fähre in der Inselhauptstadt Torshavn ablegte, vor der Küste von Eiði auf der Färöer-Insel Eysturoy, kommt das Schiff an zwei spektakulären Felsnadeln vorbei. Der eine Felsen repräsentiert den stehenden Riesen und der andere repräsentiert das sitzende Weib.
Risin, der Riese, und Kellingin, das Weib, waren zwei Riesen, die auf den Färöer-Inseln lebten. Eines Tages beschlossen sie, das benachbarte Island zu stehlen und es auf die Färöer zu ziehen. Risin holte einen gewaltigen Felsbrocken aus Island und schleifte ihn hinter sich her. Sie waren jedoch nicht schnell genug, und die Sonne setzte sie in Stein.
Nach 3 Stunden auf Deck wird es langsam kühl und die Sonne geht auch unter. Aber es war so faszinierend, man könnte hunderte Fotos hintereinander machen, dann nach eine Minute ist das Licht wieder ganz anders. Einfach nur dastehen, den Wind im Gesicht spüren, geniessen, träumen und staunen.
Nach dem Abendessen treffen wir uns wieder auf Deck 5 – Lesung mit Livemusik.
Wie jeden Abend gehen wir vor dem Schlafengehen noch einmal eine Runde auf Deck 9 und lassen uns durchpusten. Die See ist aber ruhig und es ist erstaunlich mild. Dann fallen wir in unsere Betten. Was war das für ein Tag …