Island – Seyðisfjörður – pt.1

Der Wecker klingelt schon wieder ziemlich zeitig. Vor dem Frühstück schauen wir wie gewohnt schnell auf das Oberdeck – es ist noch dunkel und Lichter sind noch keine in Sicht.

Also können wir in Ruhe frühstücken.

Dann aber schnell wieder hoch auf Deck 9 – es fängt an zu dämmern. Die ersten Berge tauchen auf und wir fahren in den Fjord ein. Es ist jetzt 08:25 Uhr. In einer halben Stunde legen wir in Seydisfjördur an.

Die ersten Lichter sind zu sehen, die Berge gleiten sanft an uns vorbei – es riecht nach Schnee – das ist ein ganz magischer Moment. Man kann dieses Gefühl kaum beschreiben, dieses Licht, diese Stille, wir haben Island erreicht – so hoch im Norden, über dem 65. nördlichen Breitengrad (das heißt in gleicher Höhe wie Fairbanks in Alaska).

Die Norröna gleitet still an den zum Teil 1000 Meter hohen Fjordbergen vorbei in Richtung Hafen. Es ist gefühlt wirklich ganz still, weil jeder auf dem Deck diesen Moment aufnimmt, aufsaugt und einschließt – da muss man nicht reden – einfach nur still genießen.

Fast auf die Minute genau legt die Fähre an. Es ist noch nicht hell, dieses blaugraue Schneelicht des Himmels über den Bergen, die Häuser und Straßen sind noch beleuchtet, was den Ort förmlich zum Strahlen bringt, … und es ist jetzt auch nicht mehr still, die Aufregung steigt und diejenigen, die schon einmal hier waren, beginnen zu erzählen.

Wir nehmen unseren Rucksack, verlassen das Schiff über den anderen Ausgang (die Norröna hat nämlich zwei – einen für Torshavn und eben einen für Seydisfjördur) und treffen uns vor dem Terminal.

Stefan Kruecken gibt eine kurze Einweisung und dann laufen wir los. Unser Ziel liegt auf einem Hochplateau – der Selbrekkufoss Wasserfall. Es geht durch den noch stillen Ort, vorbei an der blauen Kirche, und dann hinauf in die Berge. Gegen 10 Uhr sind wir auf der anderen Seite der Bucht und schauen auf die Norröna, die jetzt fast 2 Tage hier liegen wird.

Das ist die einzige Zeit, in der Reparaturen oder sonstige Instandhaltungen gemacht werden können. Ansonsten ist sie ja nur auf See. Wer dazu mehr erfahren möchte, dem sei die Dokumentation hier empfohlen. Sehr sehenswert.

Überhaupt ist das kleine Fischerdorf jetzt im Winterschlaf. Jetzt kommen keine Touristen mehr hierher. Das ist erstaunlich, weil diese Fähre eine Lebensader für Island ist. Wer mit dem Auto nach Island möchte, hat nur diese einzige Möglichkeit. Seydisfjördurs Bedeutung begann, als hier 1906 das erste, Island mit dem Rest der Welt verbindende, Telefonkabel an Land kam. Seydisfjördur war auch das erste komplett mit Strom versorgte Dorf der Insel.

Heute leben hier weniger als 700 Einwohner – im Winter vielleicht sogar noch weniger. Die Hotels und Restaurant sind geschlossen und öffnen erst im Frühjahr wieder. Ab 25. November – also in 11 Tagen fährt die Smyril Line Island nicht mehr an. Dann sind die Isländer hier an der Ostküste unter sich und die einzige Möglichkeit in den Rest der Welt zu kommen ist das Flugzeug von Reykjavík…

Bis in die Hauptstadt sind es aber mindestens 8 Stunden Autofahrt – 660 km und die einzige Straße ist die 93 zum 27 km entfernten Egilsstaðir, wo Anschluss an die nationale Ringstraße Hringvegur besteht. Wenn der Gebirgspass aufgrund von Schneefall (tagelang) gesperrt ist, sitzt man in der buchstäblich in der Falle.

Wer die RÙV/ZDF Serie „Trapped – Gefangen in Island“ gesehen hat, weiß, was das heißt. Viele Szenen der ersten Staffel, insbesondere die Norröna Szenen wurden im Winter hier im Hafen Seydisfjördur und am Pass gedreht.

Wir laufen durch karges Gelände auf der Straße 951 hinauf, entlang des Fjords und die Gruppe zieht sich langsam auseinander. Viele Gespräche beginnen hier, man lernt sich kennen, hört wunderschöne Geschichten und Erlebnisse der Anderen.

Kurz vor den Langahild Cottages biegen wir von der Straße links ab und klettern den steilen Weg hinauf. Von hier führt ein teils noch gefrorener, aber oft schon recht matschiger Weg weiter in die Hochebene des Naturreservats Vestdalur. Der Weg wurde früher für den Transport von Post und Handel zwischen Seyðisfjörður und anderen Städten im Austurland genutzt.

Entlang des Flusses Vestdalsa erreichen wir bald den Selbrekkufoss (sel = Siegel, brekkufossar = Hangwasserfälle). Für isländische Verhältnisse ist es nur ein kleinerer Wasserfall, aber hier in der Hochebene ein wunderschöner Anblick mit einer grandiosen Aussicht auf den Fjord.

Wenn man links die Felsen hinaufklettert, gelangt man zu einer kleinen Aussichtsplattform. Von hier kann man auf den Wasserfall schauen und den Blick ringsum weit schweifen lassen. Einfach nur herrlich … ab und zu schafft es sogar ein kleiner Sonnenstrahl, der die schneebedeckten Bergkuppen mystisch leuchten lässt.

Auf gleichem Weg laufen wir dann wieder in den Ort zurück.

Im Supermarkt (eine Filiale von Kjörbúðin) kaufen wir uns etwas zum Essen (Würstchen, Käse und frisches Brot). Als wir uns gerade auf eine Bank gegenüber dem Parkplatz gesetzt haben, fängt es an zu regnen. Also packen wir alles wieder in unseren Rucksack und machen uns auf den Rückweg zur Fähre.

Gegen Abend hat es dann (fast) aufgehört zu regnen und wir beschließen noch einen Rundgang durch das Dorf zu machen.

Um 18:30 Uhr treffen wir uns alle vorm Terminal und laufen dann gemeinsam zur Tankstelle bzw. dem Seyðisjörður Food Coop. Hier gibt es auch einen Lebensmittel-Lieferservice für ganz Island.

Alles ist unglaublich gut gemacht und mit Sorgfalt zubereitet, man kann die Qualität der Zutaten in den Speisen wirklich schmecken – und sehen, denn die Küche ist offen. Es gibt allerdings keine richtige „Speisekarte“; man kann bestellen, was man essen möchte. Die Atmosphäre ist hell und lebendig, am Tag mit Blick auf die Berge und die Fähre.

Wir essen also traditionell isländisch – da wir aber eine ziemlich große Gruppe sind, wird es an den Tischen ziemlich eng. Aber es ist trotzdem gemütlich.

Zu den typischsten Gerichten in Island gehören Fisch, Lamm oder isländischer Skyr. Sie sind seit über 1000 Jahren die Hauptbestandteile der isländischen Ernährung. Und genau das gab es für uns:

Kjötsúpa, Plokkfiskur & Skyr mit Beeren und Schokolade

Kjötsúpa, eines der wichtigsten isländischen Gerichte, ist eine herzhafte Fleischsuppe aus Lammhaxe oder -schulter mit winterlichem Wurzelgemüse. Es ist ein unkompliziertes Island Essen, das die nordische Kultur und die Praxis widerspiegelt, mit dem zu kochen, was gerade Saison hat und zur Verfügung steht. Eine wirklich authentische Kjötsúpa hat außer Salz und Pfeffer nur wenige Gewürze, um den natürlichen Geschmack beizubehalten.

Plokkfiskur – Dieses traditionelle isländische Gericht wird aus einer Kombination von weißem Fisch (wie Schellfisch oder Kabeljau), Kartoffeln, Zwiebeln, Mehl, Milch oder Sahne, Butter, Salz und Pfeffer zubereitet. Interessant ist jedoch, dass sowohl der Fisch als auch die Kartoffeln vor dem Hinzufügen zum Gericht gekocht werden. Das Rezept entstand teilweise aus der Notwendigkeit heraus, Reste von Fisch und Kartoffeln zu verwerten, die gängige Zutaten in der isländischen Küche sind. Praktisch betrachtet ist es auch eine gute Möglichkeit, teurere Fischstücke mit preiswerteren Kartoffeln zu strecken. Aber nur weil ein Rezept aus der Not heraus entstanden ist, bedeutet das nicht, dass es nicht köstlich ist. Es ist eine wärmende Mahlzeit für die kalten und harten Winter in Island, und heute hat fast jede isländische Familie ihr eigenes Rezept für Plokkfiskur.

Skyr ist der isländische Nationaljoghurt und kann als Island typisches Essen bezeichnet werden. Es ist ein Molkereiprodukt, das aus einer Bakterienkultur und pasteurisierter Magermilch hergestellt wird. Manche Leute sagen, er sei eher wie ein Käse, aber eigentlich hat er eine ähnliche Konsistenz wie griechischer Joghurt. Skyr ist seit Jahrhunderten ein wichtiger Bestandteil der traditionellen isländischen Küche und wird zu allen möglichen Gerichten gegessen. Heute breitet sich das Produkt immer weiter aus und Skyr ist in andere Kulturen auf der ganzen Welt eingedrungen, so auch in Deutschland.

Den Abend lassen wir dann auf der Fähre in der Laterna Magica ausklingen. Da keine weiteren Gäste auf dem Schiff sind und (eigentlich) auch kein Personal mehr an Board ist, haben wir den Bereich ganz alleine für uns. Eigentlich – denn zwei Mitarbeiter der Crew haben sich an diesem Abend bereiterklärt, für uns die Bar zu öffnen. Wir schmieden Pläne für den nächsten Tag …

Links

https://www.map.is/base/@732411,540768,z13,0

https://icelandweddingplanner.com/2020/11/10/vestdalsfossar-hike-in-seydisfjordur/