Die Straßen Wiens

… heißt es, sind nicht mit Steinen gepflastert, sondern mit Geschichte. Der Charme der Stadt besteht jedoch zu einem guten Teil darin, aus „Geschichte“ die „gute, alte Kaiserzeit“ zu machen.

Die Kutscher lassen ihre Schnalzer im Frühling noch temperamentvoller erklingen als sonst. Wer jetzt in einen Fiaker steigt, ist bestens bedient. „Verehrung, der Herr, küss die Hand, schöne Frau!“, ein Peitschenknall, und los geht’s zu den Prachtbauten der Kaiserzeit. Von der Albertina zur Staatsoper, weiter unter dem zartgrünen Blätterdach der Ringstraßen-Allee. Trab, trab, trab: Rechts taucht der Burggarten mit dem prachtvoll renovierten Palmenhaus auf, dann kommen links die wuchtigen, kuppelgekrönten Gebäude von Kunsthistorischem und Naturhistorischem Museum. Dazwischen thront mächtig die absolutistische Urmutter des Barock, Kaiserin Maria Theresia: Ihr Denkmal schaut hinüber zu Hofburg und Heldenplatz.

Während die Hufe der Pferde klappern, streicht ein feines Mailüfterl über die Ringstraße. Es lässt die Gedanken im Dreiviertel-Takt tanzen, dreht das Rad der Zeit zurück, fegt ein ganzes Jahrhundert weg. Plötzlich steht vor dem Parlament eine Gruppe hitzköpfiger Studenten. Junge Leutnants in schneidiger Uniform reiten in Richtung Rathaus. Und da, beim Burgtheater, biegt eine Kutsche in Richtung Bankgasse ein.

Die Gässchen sind das romantische Herz der Stadt. Sie sind eng und dunkel und wie vor Jahrhunderten mit Kopfsteinpflaster belegt. Irgendwie erwartet man jeden Moment, Mozart auf dem Heimweg ins Figarohaus um eine Ecke biegen zu sehen, der „Ein Mädchen oder Weibchen, wünscht Papageno sich“ pfeift.

Die Gefahr, im Geäder dieser Gassen verloren zu gehen, besteht nicht. Irgendwie kommt man immer wieder zum Stephansplatz zurück und spaziert in eine andere Richtung weiter: durch die Passage des Erzbischöflichen Palais zur Wollzeile, anschließend durch jene mit dem Figlmüller (dem Beisl mit den größten Wienerschnitzeln) zur Bäckerstraße. Man wirft einen Blick in den arkadengeschmückten Innenhof des Hauses Schwanenfeld auf Nr. 7 und einen in den kleinen Innenhof des Hauses Nr. 12 mit seinen mittelalterlichen Mauerteilen. Weiter geht’s zur Akademie der Wissenschaften und zur strengen, schönen Jesuitenkirche, dann in die Sonnenfelsgasse mit der Alten Universität und in die Schönlaterngasse: alles Gässchen, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Und in denen man sicher sein kann, auf den Spuren von Berühmtheiten wie Haydn, Beethoven und Clara und Robert Schumann zu wandeln.